Wie umgehen mit der Neuen Rechten?

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„Was mich ärgert ist, dass jetzt gelegentlich davon gesprochen wird, wir hätten die rechten Verlage eingeladen. Das ist natürlich Unfug. Ich muss aber Aussteller zulassen, deren politische Überzeugung ich nicht teile.“

Juergen Boos im Interview mit der FAZ über die Demonstrationen von linker Seite und die teilweise gewalttätigen Reaktionen der Rechten auf der Frankfurter Buchmesse.

Diese Aussage ist unsinnig und leider genauso schwach wie das offizielle Statement von Buchmesse und dem Börsenverein des deutschen Buchhandels. Als privatwirtschaftlicher Veranstalter muss die Buchmesse sich an Gesetze halten, aber ansonsten nicht viel. Es gibt kein Gesetz, das Betreiber solcher Veranstaltungen zwingt, alle Meinungen zuzulassen. Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist ein Abwehrrecht gegenüber dem Staat und verpflichtet privatwirtschaftliche Organisationen und linke Gegendemonstranten zu gar nichts.

Nun kann man natürlich argumentieren, dass es eine – wennschon nicht rechtlich bindende – immerhin doch gesellschaftliche Pflicht gäbe, auch unbequeme Meinungen zuzulassen. Grundsätzlich teile ich diese Einstellung, weiß aber auch, dass es Grenzen gibt – und dass diese Grenzen enger gesetzt werden können und sollten, als es der Staat tun kann. Denn der Staat mit seinem Gewaltmonopol muss mehr ertragen, als normale Bürger. Es ist völlig legitim, Toleranz zu schützen, in dem man Intoleranz nicht toleriert. Boos selbst sagt im Interview „wir sind in erster Linie eine Wirtschaftsmesse“ – eine Werbeplattform also. Es gibt wohl kaum eine gesellschaftliche – oder wirtschaftliche – Notwendigkeit, Verfassungsfeinden und mehrfach verurteilten Volksverhetzern eine Plattform zu bieten.

In der Pressemitteilung heißt es: „Die Frankfurter Buchmesse lebt von der Vielfalt der Meinungen und ist ein Ort des freien Dialogs.“ Wie wenig die Anhänger der Neuen Rechten aber an Dialog interessiert sind, kann man bei Spiegel Online nachlesen:

„Der Dialog mit denen, die zu Antaios kommen, ist schwierig“, sagte der Sprecher der Amadeu-Antonio-Stiftung gegen Ende des ersten Publikumstags. „Am ehesten geht das, wenn man mit Zahlen argumentieren will, aber viele wollen sowieso nur ihren Frust abladen, da ist das Weltbild so geschlossen, da kommt man nicht mehr ran.“

Als privater Veranstalter darf sich der Börsenverein des deutschen Buchhandels sehr wohl das Recht nehmen, extremistische Meinungen – auch wenn sie nicht illegal sind – von der Veranstaltung auszuschließen. In diesem Zusammenhang ist es sicherlich auch sinnvoll, extremistischen Vertretern anderer Richtungen die gleiche Behandlung zukommen zu lassen. Das ist keine Zensur und auch keine Privatisierung der Rechtsdurchsetzung – jedenfalls dann nicht, wenn man sich als Anbieter nicht gleichzeitig auf die Fahne schreibt, alle legalen Meinungen zuzulassen. Extremistische Meinungen aller Couleur beanspruchen und erhalten – gemessen am gesamtgesellschaftlichen Anteil ihrer Unterstützer – überproportional viel Aufmerksamkeit. In Deutschland trifft dies, insbesondere in den letzten zwei Jahren, besonders auf rechte Meinungen zu. Es ist völlig legitim, diesem Missverhältnis entgegenzuwirken.

Der Ausschluss extremistischer Teilnehmer oder Meinungen ist allerdings nur ein Teil der Antwort auf die Frage: „Wie umgehen mit der Neuen Rechten?“ Nicht alle Anbieter sind in der glücklichen Lage, solch eine Strategie zu wählen. Nachrichten, insbesondere wenn sie öffentlich-rechtlich finanziert sind, haben meiner Meinung nach weniger Spielraum, über die gezielten Provokation und Tabubrüche von Vertretern der Neuen Rechten zu berichten – insbesondere, wenn diese Vertreter in Bundes- oder Landesparlamenten sitzen.

Grundsätzlich besteht auch hier die Möglichkeit, die Berichterstattung auf ein Maß zu reduzieren, das der gesamtgesellschaftlichen Relevanz entspricht, und das Agendasetting nicht der AfD zu überlassen (siehe auch: Themen beim Fernsehduell zur Bundestagswahl 2017). Das gilt insbesondere für Talkshows. Die Süddeutsche dazu:

Kaum etwas erscheint in den politischen Talkshows so beliebt und so vergeblich, wie Angehörige der AfD entweder mit ihren eigenen oder mit Zitaten anderer Parteimitglieder zu konfrontieren. Dieses Spiel scheint es darauf abgesehen zu haben, den Rechtspopulismus zu entzaubern. Was für ein Irrtum! Tatsächlich bewirkt es das Gegenteil, vergrößert den Resonanzraum und damit die politische Reichweite der AfD. Der Versuch der Distanznahme führt zu einem sukzessiven Mainstreaming von AfD-Positionen, die zuvor im politischen Raum bestenfalls als peinlich galten. Das Spiel verschafft den Lieblingsthemen der AfD unangemessen viel Platz in der politischen Arena. Interessanter wäre und viel zu selten erprobt ist es, die AfD zu Themen zu befragen, die eben genau nicht ganz oben auf ihrer Agenda zu finden sind, wie zum Beispiel die Steuer-, Sozial- oder Wohnungspolitik.

Für weniger interaktive Formate ist das schwieriger umzusetzen – und genau hier habe ich leider auch noch keine wirklich guten Ansätze gesehen. Es ist auf jeden Fall notwendig Aussagen der Neuen Rechten kritisch zu hinterfragen und über die Strategien der Neuen Rechten aufzuklären. Ziel muss es insgesamt sein, weniger unkritischen Resonanzraum zur Verfügung zu stellen. Dazu gehört unter anderem, Falschaussagen und Provokationen bereits in der Überschrift und in Anreißern als genau das zu entlarven.

All das ist aber leider nicht ausreichend. Jetzt sind die Redaktionen gefragt, wirkungsvolle Strategien zu entwickeln und diese auch umzusetzen, um den Themen der Neuen Rechten möglichst nur den Raum zur Verfügung zu stellen, der ihnen auch zusteht. In welchem Umfang das tatsächlich passieren wird, wird sich noch zeigen müssen. Die reduzierte Reichweite für die Neue Rechte geht wahrscheinlich auch mit einer reduzierten Reichweite für die Berichterstatter einher – und das bedeutet leider geringere Werbeeinnahmen. Deshalb müssen die gebührenfinanzierten Sender auch mit gutem Beispiel vorangehen.


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