Lange Nacht der Startups Berlin 2016 (1)

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Am vergangenen Freitag & Samstag fand in Berlin die Lange Nacht der Startups statt. Sie bestand dieses Jahr aus zwei Konferenzen und einer Ausstellung, in der sich junge Unternehmen aus verschiedensten Bereichen präsentieren konnten. Ich habe die IHK-Konferenz am Freitag zum Thema „Partnering“ und die Ausstellung am Samstagabend besucht und werde hier meine Eindrücke und ein paar Kommentare für die Zukunft festhalten.

1 – Partnering – Innovationsschub oder Zeitverschwendung?

Leider hab ich in meinen Notizen vergessen, den Gedanken die Redner zuzuordnen, von denen sie stammten. Hier ist die Besetzung des Panels zu finden. Zu Beginn des Podiums wurde gefragt, was sich das Publikum von der Teilnahme an der Konferenz erhoffte. Ein SAP-Mitarbeiter meinte, dass SAP einfach mal ins Gespräch kommen wolle – was unverzüglich kritisiert wurde. Es wurde korrekt angemerkt, dass Startups nicht reden sondern handeln wollen und dass die Unverbindlichkeit großer Konzerne für viele kleine Unternehmen ein Hindernis bei Kooperationen ist.

Zudem kam die Frage auf, ob kleine, junge Unternehmen bei der Zusammenarbeit mit einem Konzern Angst haben müssen, dass ihre Ideen geklaut und ohne sie umgesetzt werden. Die Panel-Teilnehmer waren der Meinung, dass das im Allgemeinen kein Problem darstellt. Ich sehe das ähnlich. Zum einen glaube ich, dass Ideen auch ohne eine Kooperation entwendet werden können und Verträge zum Schutz der Idee besser geeignet sein können als die üblichen Schutzrechte. Zudem ist es ja so, dass der Vorteil des Startups in der zügigen Umsetzung von neuen Ideen liegt – was großen Unternehmen traditionell schwer fällt. Selbst wenn der Konzern also die Idee für sich nutzen möchte, hätte er vermutlich schlechte Chancen gegen das Startup.

Aus Konzernsicht wurde diskutiert, wie ein Unternehmen entscheiden soll, wann es die Kooperation intensiviert und größere finanzielle Mittel in das Startup investiert. Wie sooft in Konzernen werden diese Entscheidungen nicht kurzfristig getroffen sondern erfordern langwierige Genehmigungsprozesse. Dies wiederum ist für das kleine Partner-Unternehmen äußerst unbefriedigend und kann sogar gefährlich werden, wenn das Geld knapp wird. Eine richtige Lösung wurde nicht angeboten, was meiner Meinung nach daran liegt, dass es schlicht und ergreifend keine Standardantwort gibt und auch nicht geben kann. Entscheider auf der mittleren Managementebene wollen sich oft absichern und werden daher nur auf Basis von Kennzahlen entscheiden, was in Kombination mit der inzwischen üblichen, kurzfristigen und auf Quartalsergebnisse beschränkten Sicht, oft gegen eine Investition spricht. Langfristige Investitionen müssen aber von den Eigentümern oder Geschäftsführern abgesegnet werden. Gleichzeitig sind die einzubringenden Mittel aus Sicht des Konzerns oft nicht groß genug, um eine Priorisierung der Entscheidung zu rechtfertigen.

Zudem wurde genannt, dass im Konzern oft die falschen Mitarbeiter für die Zusammenarbeit mit jungen, innovativen Unternehmen zuständig sind. Erfolgreiche Manager aus dem Konzern werden mit einer Aufgabe betraut, die wenig mit dem zu tun hat, das sie vorher getan haben. Langjährige Mitarbeiter, die sich an die Unternehmensstruktur und -prozesse gewöhnt haben, sind vllt. auch mit dem Markt vertraut und könnten dem Startup also wirklichen helfen – schaffen es aber oft nicht, aus den alten Denkmustern auszubrechen und versuchen stattdessen, den Juniorpartner zurechtzubiegen.

Linderung für beide Probleme kann meiner Meinung nach nur gefunden werden, wenn Konzerne es schaffen, Unternehmer – z.B. frühere Gründer – mit der Planung und Durchführung der Zusammenarbeit zu verpflichten und sich gleichzeitig trauen, diesen Unternehmertypen weitreichende Kompetenzen einzuräumen. Hier kommt allerdings das alte Problem wieder zum Tragen: Wenn große Gesellschaften dies könnten, könnten sie auch ohne Startup-Partner viel mehr erreichen.

2 – Von der gemeinsamen Produktentwicklung bis zum Exit – welche Formen der Partnerschaft gibt es?

In der nächsten Diskussionsrunde wurden etwas konkreter verschiedene Modelle zur Zusammenarbeit sowie typische Fehler besprochen. Entsprechend des Titels beginne ich mit Christoph Göller von Coolar – einem Startup das Kühlschränke entwickelt, die ohne elektrische Energie auskommen – und seinen Erlebnissen bei der Suche nach Entwicklungspartnern. Er merkte an, dass man als Startup oft nur wenige Kontaktpersonen im Konzern hat und die Entscheidungen dann von anderen Personen getroffen werden – daher rät er beiden Parteien die tatsächlichen Entscheidungsträger zusammenzubringen. Jungen Unternehmen empfiehlt er zudem, sich bei Innovationen auf das Produkt zu konzentrieren und nicht in allen Bereichen alles umstürzen zu wollen. Wenn man die Unterstützung eines großen Partners sucht, ist es hilfreich, mit den „Werkzeugen zu arbeiten, die der Konzern bereits in der Werkzeugkiste hat.“

Mit dem Deutsche Bank Lab – im Panel vertreten durch Dr. Luc Mériochaud – versucht sich ein etablierter Konzern besonders innovativ. Das Lab ist kein klassischer Accelerator oder Inkubator, sondern experimentiert selbst noch mit den Prozessen zur Zusammenarbeit. Dabei liegt ein  Fokus auf dem Herstellen von Netzwerken zwischen der Startup-Szene, alteingesessenen Unternehmen und dem Wissenschaftsbetrieb – allerdings gibt es für das Lab kein festes Korsett. Obwohl diese Flexibilität Vorteile bringen kann, befürchte ich, dass dadurch Entscheidungen wieder in die Hände von einzelnen Personen fallen, was den Prozess ausbremsen kann. Eine klare Struktur mit festen Prozessen kann hier auch Vorteile bieten. Jungen Unternehmen empfiehlt Mériochaud, bei Kooperationen das Wissen der Konzerne zu nutzen, das sie zweifellos im Laufe ihrer Geschichte erworben haben – nicht alles ist Schnee von gestern.

Der :agile Accelerator von e.on setzt auf ein eher klassisches Modell der Kooperation. Trotzdem ist die von Patrick Nanninga gegründete Innovationsabteilung etwas losgelöst von der restlichen Struktur des Konzerns. Insbesondere hat der Bereich die Freiheit, nicht unbedingt allen Richtlinien im Bereich Einkauf und Personalwesen folgen zu müssen. Wie bereits oben beschrieben ist dies meiner Meinung nach eine wichtige Grundlage für erfolgreiches Partnering.

Ralf-Dieter Jaschok von der Commerzbank stellte eine weitere Möglichkeit der Zusammenarbeit vor. Nach eingehender Analyse und in Zusammenarbeit mit nu3 hat die Bank ein neues Produkt zur Fremdfinanzierung für junge, kapitalintensive Unternehmen im Bereich e-Commerce entwickelt. Die klassischen Kennzahlen, die Banken zur Risikobewertung nutzen – also Bilanz und insbesondere GuV – sind in der Frühphase eines Startups oft wenig hilfreich, wenn es darum geht, bezahlbares Fremdkapital zu beschaffen. Das von der Commerzbank entwickelte (aber nicht weiter detaillierte) neue Produkt soll dieses Problem lösen und damit nicht nur den jungen Unternehmen helfen, sondern auch neue Märkte für die Bank erschließen.

Dem Titel des Panels entsprechend hat Benjamin Maatev von 6Wunderkinder über die Zeit nach dem Kauf durch Microsoft berichtet. Er ist zuständig für die Integration in den Konzern und für ihn hat sich entsprechend viel verändert – trotz der Freiheit, die Microsoft dem ehemaligen Startup lässt. Eine der Prioritäten des Management-Teams war es, den durch die neue Situation entstandenen Druck vom Rest des Teams abzuhalten.

3 – Best Case: DB mindbox trifft eMio

Nur ganz kurz, weil ich es sehr interessant finde: DB mindbox ist nicht nur ein klassischer Accelerator im Bereich Mobilität sondern bietet auch sogenannte Challenges an. Andere Abteilungen des Konzerns kommen mit ihren Problemen zu mindbox, wenn sie glauben, dass externe Teams dieses Problem besser lösen können als es intern möglich wäre. mindbox schreibt diese Probleme dann in Wettbewerben aus um die besten Ansätze zu finden und zu prämieren.

4 – Veränderungsmanagement – So sind auch Mitarbeiter dabei

In einem äußerst spannenden Workshop erläuterte Constanze Buchheim von iPotentials den wichtigsten Mentalitätsunterschied zwischen etablierten Unternehmen und jungen Wettbewerbern. Während Firmen mit zunehmendem Alter und Größe primär ihre Prozesse optimieren – um Fehler zu vermeiden und die Effizienz zu steigern – sind frische Marktteilnehmer auf das Ergebnis fokussiert – relativ unabhängig davon, wie es erreicht wird. Startups legen Pragmatismus an den Tag und reagieren auf sich ändernde Umstände mit angepassten Strategien und Prozessen. An dieser Stelle muss noch keine Wertung dieser Unterschiede stattfinden, denn immerhin hat die deutsche Wirtschaft in der Vergangenheit stark von der Prozessoptimierung profitiert. Allerdings ist es trotzdem so, dass sich Technologie heutzutage immer schneller verändert und sich diese Veränderungen auch auf existierende Prozesse auswirken. Wenn aber Prozesse in immer kürzer werdenden Intervallen angepasst werden müssen, ist eine Fixierung auf diese Prozesse nicht mehr optimal.

Doch wie kann ein Unternehmen seine Strategie ändern und alte Routinen abschütteln? Im Widerspruch zum Titel des Workshops erklärte Buchheim, dass zunächst nicht die Mitarbeiter mitgenommen werden müssen, sondern zuerst eine ergebnis- und wertorientierte Führungsebene etabliert werden muss. D.h. Eigentümer und Geschäftsführer müssen tatsächlich davon überzeugt sein, dass sich das Unternehmen ändern muss – Matthias Döpfner von Axel Springer wurde hier als positives Beispiel genannt.

Im nächsten Schritt muss die nächste Managementebene von der Notwendigkeit zur Veränderung überzeugt werden – und hier liegt oft die größte Schwierigkeit des Veränderungsprozesses. Ergebnisorientierung bedeutet auch, dass der Status „Manager“ in den Hintergrund rückt und Vorgesetzte zu Unterstützern werden müssen, die es ihren Mitarbeitern ermöglichen, die neuen Werte zu leben und dabei auch alte Prozesse in Frage zu stellen. Für erfahrene Manager, die lange nach den alten Prinzipien gelebt haben, ist dies oft schwierig – Buchheim nannte dies auch als Grund dafür, dass es heutzutage schwierig ist Führungspositionen in schnell wachsenden, innovativen Unternehmen mit geeignetem Personal zu besetzen. Um das Problem zu lösen schlägt sie zwei Ansätze vor, die parallel ausgeführt werden sollten. Einerseits sollte auf das klassische Diffusionsmodell für Veränderungen zurückgegriffen werden, d.h. veränderungswillige Early Adopter im Unternehmen sollten dabei unterstützt werden, das Neue zu leben, erfolgreiche Beispiele zu kreieren und damit im Unternehmen zu werben. Zum zweiten muss es den weniger veränderungswilligen Managern jedoch auch erlaubt sein, von den alten Zeiten Abschied zu nehmen und um sie zu „trauern.“ Dabei ist es wichtig zu erklären, dass die alten Methoden nicht inhärent schlecht sondern für ihre Zeit sehr gut geeignet waren – dass diese nun aber abgelaufen und es Zeit für neue Methoden ist. Als positives Beispiel für ein erfolgreiches Veränderungsmanagement auf dieser Führungsebene wurde Gore-Tex genannt, wo die beschriebenen Schritte durchgeführt wurden – am Ende allerdings auch veränderungsunwillige Manager entlassen wurden, um den Erhalt des Unternehmens zu sichern.

Erst der letzte Schritt betrifft Arbeiter und Angestellte unterhalb der Managementebene. Da die Digitalisierung Mitarbeitern oft mehr Vor- als Nachteile bringt, muss die damit einhergehende Veränderung oft nur erklärt und vorgelebt werden. Trotzdem sind Neurungen oft schwierig und gehen mit Ängsten einher. Es muss also, wie auch auf Managementebene, eine Trauerphase zugelassen werden. Zudem ist es Aufgabe der Führungsmitarbeiter, ihren Mitarbeitern hier Hilfe anzubieten und ihnen zu zeigen, was möglich ist – deshalb ist es auch so wichtig, dass Manager ihre neue Rolle als Enabler noch vor den Mitarbeitern verinnerlichen. Auch auf Mitarbeiterebene gilt, dass die Veränderung Zeit braucht – aber auch abgeschlossen werden muss. Das bedeutet, dass es möglich sein muss Mitarbeiter zu entlassen, die sich nicht auf die Veränderung einlassen wollen oder können.

Diese letzte Konsequenz, also die Entlassung von veränderungsresistenten Managern und Mitarbeitern, wird vielen großen deutschen Unternehmen – aufgrund starker Gewerkschaften und relativ strengen Arbeitnehmerschutzgesetzen – zu schaffen machen. Buchheim glaubt daher auch, dass die Gewerkschaft in den nächsten 10 – 15 Jahren dem Untergang geweiht sind – ich bin da weniger optimistisch 1.

Fazit

Insgesamt fand ich die Veranstaltung durchaus interessant, auch wenn nur wenig echte Neuigkeiten dabei waren. Trotzdem haben mir die Beiträge geholfen, meine Gedanken zu verschiedenen Themen zu ordnen und auch ein paar neue Ideen anzustoßen. Ich war sehr zufrieden, nicht zuletzt weil ich am Abend noch Eligiusz von Concepts2Capital und Ulrike von der ZukunftsAgentur Brandenburg kennenlernen durfte es dadurch zu einem regen Austausch kluger Gedanken kam.

Zur Ausstellung – also der eigentlichen Langen Nacht der Startups – werde ich mich in einem anderen Beitrag äußern.

  1. Ich bin fest davon überzeugt, dass es mittel- und langfristig nicht genug Arbeitsaufgaben für alle verfügbaren Arbeitskräfte gibt. Daher glaube ich auch, dass die Stärkung der Arbeiterschaft zunehmend eine Stärkung von Partikularinteressen bedeutet – jedoch nicht wie früher abgegrenzt gegen Unternehmen und die Oberschicht, sondern in Abgrenzung von Arbeitssuchenden. Diese Stärkung wird also zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft führen. Das Problem ist komplexer als eine Fußnote, es kommt also vielleicht irgendwann mal noch ein ganzer Beitrag

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