Über den Bundestag als Spiegelbild der Gesellschaft

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Herr Schäuble, aktueller Bundesminister der Finanzen und 70 Jahre alt, findet, dass es mehr alte Bundestagsabgeordnete geben solle. Schließlich müsse der Bundestag ein Spiegelbild der Gesellschaft sein. Während ich grundsätzlich auch der Meinung bin, die Struktur der Volksvertretung sollte in etwa der gesellschaftlichen Struktur entsprechen, sehe ich Missverhältnisse an ganz anderen Stellen.

  • Während der Altersmedian der Abgeordneten des Bundestages etwa 53 Jahre beträgt, kommt die Gesamtbevölkerung lediglich auf etwa 46 Jahre.
  • Dass weniger als ein Drittel aller Abgeordneten weiblich sind, scheint mir kaum repräsentativ.
  • Über 90 % aller Bundestagsabgeordneten haben einen Hochschulabschluss. Natürlich bevorzuge auch ich kluge Abgeordnete, aber formale Bildung und Klugheit hängen ja auch nicht immer zusammen. Wenn man noch etwas genauer auf die Vorberufe der Abgeordneten schaut, wird die Diskrepanz zwischen Bundestag und Gesamtbevölkerung bloß noch größer.
  • Etwa 20 % der in Deutschland lebenden Menschen haben einen Migrationshintergrund, mehr als die Hälfte von ihnen sind deutsche Staatsbürger. Im aktuellen Bundestag gibt es lediglich 20 Abgeordnete mit Migrationshintergrund (bei 622 Abgeordneten ergibt das eine Quote von 3,2 %). Auffallend ist, dass die CDU, der auch Herr Schäuble angehört, nur einen einzigen dieser 20 Abgeordneten stellt.

Darüber hinaus besteht bei älteren Abgeordneten meiner Meinung nach das Problem, dass sie zwar viel Erfahrung einbringen können – große Teile dieser Erfahrungen aber aus einer Zeit stammen, in der sie wohlhabend und privilegiert waren. Auch das trifft auf einen großen Teil der Gesamtbevölkerung nicht zu. Schließlich ist es mir auch noch suspekt, wenn Menschen, die altersbedingt eine sehr kurze Zukunft haben, die Zukunft meines Heimatlandes gestalten wollen.

Was ich mich bei all dem außerdem noch Frage: Warum haben Handelsblatt, Focus, Mitteldeutsche Zeitung, Mittelbayrische und all die anderen Schäubles Aussagen kommentarlos veröffentlicht? Ist ein wenig Recherche zur Einordnung dieser Kommentare wirklich zu viel verlangt?


One thought on “Über den Bundestag als Spiegelbild der Gesellschaft

  1. Hallo Martin,
    ich habe mir heute diesen Beitrag und Deinen Beitrag zur Zweitstimme durchgelesen.
    Es hat mir große Freude bereitet, eine klar formulierte Meinung lesen zu können.
    Mache weiter so.
    Zur Besetzung des Bundestages habe ich kürzlich im Radio einen netten Spruch
    aus den 1960er Jahren gehört.
    „Das Plenum ist mal voller und mal leerer, aber immer voller Lehrer“

    liebe Grüße
    der alte Mann

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