Martin und die alten Medien – heute: Papierbücher

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Nun geht es an mein Lieblings-Hass-Medium: Papier – heute erstmal in Form von Büchern. Nächstes mal alles andere, vor allem amtliche Schriftstücke, Rechnungen und ähnliches. Bei vielen Menschen haben Bücher einen gewissen Sonderstatus und sind praktisch unantastbar. Ich vermute daher, dass dieser Beitrag kritischer aufgefasst wird als die zu Telefon und Fernsehen – und tatsächlich fiel mir diese Digitalisierung verhältnismäßig schwer. Allerdings gibt es nach über 3 Monaten mit einem Kindle – und vielen, vielen Umzügen in den letzen Jahren –  für mich kein zurück. Da es zu Papierbüchern auch nur wenig Alternativen gibt, ist dieser Beitrag mehr oder weniger ein Vergleich mit dem Kindle. Diesen werde ich allerdings zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal detailliert betrachten.

Bücher haben gute Seiten

Kein DRM

Physische Bücher kann man problemlos verleihen, wiederverkaufen und verschenken nachdem man sie einmal gekauft hat. Eigentumsrechte sind ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaftsordnung und tatsächlich fühle ich mich durch das digitale Rechtemanagement (DRM) von elektronischen Büchern eingeschränkt.

Stabilität

Ein Buch aus Papier ist gegenüber den meisten Einflüssen sehr stabil. Wind, Wasser, Sand, anderer Dreck und mechanische Belastung überstehen die meisten Bücher gut – sie bleiben zumindest lesbar. Für elektronische Lesegeräte gibt es zwar verschiedene Hüllen um sie vor diesen Wirkungen zu schützen – trotzdem bleiben sie weniger belastbar. Lediglich gegenüber Feuer sind wohl beide Formen gleich empfindlich.

Bibliothek

Eine Regal voller Bücher sieht einfach besser aus, als ein voller – oder leerer – Kindle. Aber deswegen wird es hier demnächst auch eine neue Kategorie geben.

Bilder und Grafiken

Falls das Buch bunte Bilder oder Illustrationen enthält, ist der Kindle mit seinem Graustufendisplay denkbar ungeeignet. Auch Tabellen sehen aufgrund des festen Layouts und der – im Vergleich zum Kindledisplay – großen Papierbuchseite gedruckt oft besser aus. Es gibt allerdings zwei Punkte, die dieses Argument entwerten. Zum einen sind PCs zur Darstellung dieser Inhalte noch besser geeignet als Bücher. Zum anderen besteht ein großer Teil meines Lesestoffes nicht aus Sachbüchern sonders aus fiktionaler und non-fiktionaler Unterhaltungsliteratur.

Notizen und Markierungen sind schnell erledigt

Da der aktuelle Kindle keine eigene Tastatur hat, ist es ziemlich mühselig, Anmerkungen zu erstellen. Mit einem Stift im Buch geht das wesentlich schneller – allerdings ist es dafür nicht immer erlaubt.

Kein Strom notwendig

Dieses Argument ist eher theoretischer Natur, denn der Akku des Kindles hält mit aktiviertem W-Lan und Leselicht bequem 14 Tage. Wenn ich die beiden Stromfresse deaktiviere, sind noch einige Tage extra drin. Für den Fall, dass ich irgendwann einmal zwei Wochen ohne Strom bleiben muss, ist ein Mangel an Lesestoff meine geringste Sorge :)

und schlechte Seiten

Gewicht und Raumbedarf

Bücher sind schwer, viele Bücher sind zusammen sehr schwer – und brauchen viel Platz. Auch dann, wenn man sie eigentlich schon gelesen hat und nur noch aufbewahrt. Besonders deutlich wurde mir das immer dann, wenn ich mal wieder umgezogen bin. Ein 350seitiges Taschenbuch wiegt etwa 40% mehr als der Kindle 4 mit seinen 170g – auch wenn sich hunderte Bücher darauf befinden (ok, wenn die Leselampenhülle darum ist, sind es noch einmal 140g).

Ein Papierbuch kann nur an einem Ort sein

Die Überschrift sagt ja alles – ein Buch habe ist nur dann in meiner Nähe, wenn ich es mitgenommen habe. Das gilt zwar für den Kindle prinzipiell auch, allerdings gibt es Anwendungen für alle möglichen Systeme, u.a. mein Handy, und sogar eine Lesemöglichkeit in der Internetwolke. Dank automatischer Synchronisierung kann ich jederzeit eines der unterstützen Geräte nutzen um an genau der Stelle weiter zu lesen, an der ich auf einem beliebigen anderen Gerät aufgehört habe, solange sie beide mit meinem Amazon-Konto verknüpft sind. Damit lassen sich auch spontane Wartezeiten gut überbrücken.

Aufwändige Beschaffung

Papierbücher zu kaufen ist weit weniger bequem als die Beschaffung ihrer elektronischen Gegenstücke. Möchte ich sie in der lokalen Buchhandlung kaufen, muss ich die Öffnungszeiten beachten und hoffen, dass mein Wunschbuch vorrätig ist. Zudem stehen dort auch keine Bewertungen von anderen Lesern zur Verfügung und ein Probelesen muss gleich vor Ort stattfinden. Kaufe ich das Buch online stehen Kundenbewertungen zur Verfügung und ich kann (zumindest bei vielen Büchern bei Amazon) rund um die Uhr ein paar Seiten lesen. Dafür muss ich mindestens einen Tag warten, bis das tote Holz bei mir ist.

Im Vergleich dazu der Prozess beim Kauf eines Buches für den Kindle: Auf der Amazon-Webseite stöbern und dabei von personalisierten Empfehlungen profitieren. Danach die Leseproben von ein paar interessanten Büchern kostenlos auf den mit einem W-Lan verbundenen Kindle schicken oder direkt auf der Webseite probelesen. Wenn ich ein Buch gefunden habe, das mir zusagt, kann ich es direkt vom Kindle aus kaufen – nach wenigen Sekunden kann das Lesevergnügen beginnen.

Schwieriges Sichern und Teilen von Anmerkungen und Markierungen

Papierbücher sind naturgemäß nicht an das Internet angebunden. Dadurch ist es allerdings auch entsprechend schwieriger, Fundstücke im Text auf Facebook oder anderswo im weltweiten Netz zu teilen. Markiere ich Stellen in einem Papierbuch sind sie nur in genau diesem Buch markiert – ist das Buch weg, so gilt das gleiche für meine Markierungen. Amazon sichert Anmerkungen und Markierungen die ich auf dem Kindle vornehme automatisch. Ist der Kindle weg, kann ich trotzdem noch auf sie zugreifen. Es kam zwar auch schon vor, dass Amazon Bücher samt Notizen von Kindles gelöscht hat, aber für wichtige Dinge hält man natürlich immer auch ein lokales Backup vor.

Kein integriertes Wörterbuch / Nachschlagewerk

Gerade bei fremdsprachigen Werken und Inhalten ist das in den Kindle integrierte Wörterbuch unschlagbar. Das bietet ein Buch natürlich nicht. Bei komplexeren Problemen kann man auch den integrierten Webbrowser nutzen, um Wikipedia zu befragen (allerdings ist das ohne Tastatur und mit einem rudimentären Browser schon sehr anstrengend). Das geht mit Papierbüchern ebenfalls nicht so einfach.

Festes Layout / Schriftgröße

Ein Papierbuch nimmt wenig Rücksicht auf die Lichtverhältnisse und meine Sehkraft. Ist eines oder beides sub-optimal, wird das Lesen anstrengend. Das gilt zwar auch für das Lesen auf dem Kindle, aber ich habe einige Möglichkeiten um gegenzusteuern. Es gibt 8 Schriftgrößen, 3 Schriftarten und weitere Einstellmöglichkeiten.

Und nun?

Nun habe ich viele Vor- und ebenso viele Nachteile aufgezählt. Wieder einmal kommt es auf ihre Gewichtung an. Ich persönlich habe mich vor allem aufgrund der Platzersparnis und des erleichterten Umzugs wegen für die elektronische Variante entschieden. Gerade wegen der Gängelung durch das Rechtemanagement kann ich es jedoch verstehen, wenn andere lieber bei Papierbüchern bleiben. Zwei Argumente habe ich oben nicht aufgezählt. Das liegt vor allem daran, dass ich eines nur schwer nachvollziehen und das andere nicht richtig einschätzen kann.

Das erste kommt in verschiedenen Varianten daher und lautet etwa „Ein Buch ist doch immer noch etwas Besonderes“ oder „Aber Papier riecht so gut“. Dazu kann ich nur sagen: Nein. Richtig, es gibt Inhalte, die werden am besten in Form eines Papierbuches präsentiert – so wie es  Anlässe gibt, an denen man eben lieber eine Kutsche statt den Zug nimmt. Trotzdem fahren mehr Leute mit Bus und Bahn zur Arbeit / Uni / Schule als mit der Kutsche. Der Großteil der gelesenen Unterhaltungsliteratur ist einfach medienagnostisch – und es wird hoffentlich auch niemand behaupten wollen, dass das Format Taschenbuch etwas besonderes ist. Gebundene Bücher kann will ich mir allerdings nicht leisten.

Beim zweiten Argument geht es darum, ob Papierbücher oder elektronische Bücher die Umwelt weniger belasten. Obwohl Papier aus dem nachwachsendem Rohstoff Holz erzeugt bzw. sogar recycelt wird, gibt es negative Einflussfaktoren. Papierbücher benötigen auch Druckerfarbe, also Chemie, und müssen transportiert werden. Für elektronische Bücher auf der anderen Seite müssen Server-Kapazitäten vorgehalten werden und das Lesegerät besteht aus Plastik und Elektronik. Es gibt eine Untersuchung, die die Schwelle bei etwa 22,5 Büchern sieht (englisch) – inwiefern die Annahmen der Untersucher stimmen muss jedoch noch geklärt werden.

Ich für meinen Teil bin mit dem Kindle sehr zufrieden und kann allen nur empfehlen, das Lesen auf elektronischem Papier einmal auszuprobieren.


3 thoughts on “Martin und die alten Medien – heute: Papierbücher

  1. du vernachlässigst ein winziges detail auf der seite pro buch: im bücherladen sein und bücher in die hand nehmen und reingucken macht mehr spaß als online ein bisschen was zu lesen. da hat man ein regal mit 100 büchern und guckt alle an. das ist einfach auch ein stück unterhaltung

    • Ich muss zugeben, dass ich schon lange nicht mehr in einer Buchhandlung zum Stöbern war. Wenn ich einfach mal meine Besuche in der Bibliothek zum Maßstab nehme, dann kann ich dein Argument nicht gelten lassen. Da bin ich nämlich oft nur genervt, dass ich nicht weiß was gut ist bzw mir gefällt. Und „Ein Buch in die Hand nehmen“ zählt für mich auch in die Kategorie „Aber ein Buch ist doch etwas Besonderes“. Ansonsten kann ich dir teilweise zustimmen, und auf mein pro Papierbuch Argument namens Bibliothek (im Artikel) verweisen.

  2. Pingback: marrai » Martin und die alten Medien – heute: Papier

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